Joseph und Catherine
 
Joseph und Catherine
 

 Catherine Fencl und Joseph Disch heirateten am 3. Februar 1939 in Chemery Les Deux. Zunächst lebten beide bei den Eltern von Catherine (Hobling No. 27). Bald kündigte sich Nachwuchs an.
Beide sind dann wohl in die Nähe von Moyeuvre-Grande (Moselle) gezogen. Jedenfalls kam dort am 5. September 1939 ihr erster Sohn auf die Welt. Eine Totgeburt, weswegen der Junge auch keinen Namen bekam. Catherine musste wahrscheinlich alleine mit diesem Schock zurecht kommen. Bereits drei Tage zuvor wurde Joseph, wegen der allgemeinen Mobilmachung, in die franz. Armee eingezogen. Während seiner Abwesenheit wurden wegen des Krieges alle grenznahen Orte in Lothringen evakuiert und Catherine zog mit ihren Eltern und Geschwistern ins Département Vienne. Joseph wurde am 18. August 1940 aus der Armee entlassen. Während seiner Armeezeit wurde Joseph wahrscheinlich zweimal verwundet. In einem Dokument von 1970 werden in dieser Zeit jedenfalls 2 längere Krankenhausaufenthalte festgehalten.

Nach der Niederlage Frankreichs kehrte der Kriegsalltag unter den Vorzeichen der deutschen Besatzer ein. Wann Catherine und Joseph dann nach Rombach (heute Rombas) zogen ist nicht bekannt. Jedenfalls gebar Catherine dort am 23. Februar 1942 einen Sohn. Wieder eine Totgeburt. Auch dieses Kind blieb namenlos. Wieder finden sich bis zur nächsten Geburt keine weiteren Daten. Das dritte Kind von Catherine und Joseph kam am 21. April 1944 auf die Welt. Diesmal ein Mädchen. Ihr Name war Lilli Maria Disch. Ihre Geburt wurde vom Standesamt  Diendenhofen (heute Thionville) aufgenommen. Lilli lebte nur sechs Tage. Sie verstarb am 27. April 1944 (in Diedenhofen).

Die nächste Katastrophe ließ nicht lange auf sich warten. Am 24. Mai des selben Jahres wurde Joseph von der GESTAPO verhaftet und eingesperrt. Unsere Mutter/Oma Marie erzählte mir, dass Catherine jede Woche nach Metz gefahren sei um Joseph zu besuchen. Sie wurde immer abgewiesen, ohne ein Wort darüber wie es um Joseph steht. Ihr wurde keinerlei Auskunft erteilt. Erst später stellte sich heraus, dass Catherine immer noch nach Metz führ obwohl Joseph schon längst in andere Lager oder Gestapo- Gefängnisse verlegt wurde. Darüber, wie es zu der Verhaftung kam wurden mehrere Geschichten erzählt. Eine stammt von Marie, in der Joseph von einem Fremden in einem Zugwaggon gefragt wurde: „Was würdest Du sagen wenn Du De Gaulle treffen würdest?“. Josephs Antwort soll „Vive la France“ gelautet haben, worauf sich der Fremde als Zivilpolizist outete und Joseph direkt festnahm. Eine andere Erzählung besagt, dass Joseph auf einer Mitgliedsliste der Partei De Gaulles gefunden wurde. Dies scheint plausibler, da ein Schriftstück vorliegt indem als Grund für Josephs Inhaftierung die Mitgliedschaft in einer Resistance Gruppe aus Boulay und der Verbreitung der „Französischen Idee“ angegeben wird. Vielleicht stimmen ja beide Versionen.

Im o.g. Dokument werden die Stationen von Josephs Leidensweg kurz aufgeführt. Neben Metz werden dort das KZ Schirmeck-Vorbruck, Saarburg, Mannheim (wahrscheinlich Mannheim-Sandhofen) und Dahau aufgeführt. Da es in Saarburg selbst kein KZ gab, ist davon auszugehen dass es sich hier um das SS-Sonderlager Hinzert-Pölert (Hunsrück) oder einem seiner zahlreichen Nebenlager (die sich sogar noch in Belgien fanden) handelte. Wie auch Schirmek-Vorbruck war das Lager in Hinzert-Pölert vornehmlich für politisch unbeugsame (oder „Asoziale“) aus Frankreich, Luxemburg, Belgien und Holland erichtet worden. Anders als in Schirmeck handelte es sich bei den SS-Sonderlagern um reine Arbeitslager. Jeder der heute auf der Autobahn A1 von Saarbrücken nach Trier fährt, kann die Gedenkstätte Hinzert-Pöhlert sehen. Sie liegt in sichtweite (rechts) zwischen der Autobahnraststätte und der Abfahrt Hermeskeil, an der Stelle wo sich das Hauptlager befand.

Joseph wurde am 29. April 1945 zusammen mit ca. 32.000 weiteren Überlebenden von Einheiten der 42. US-Infanteriedivision in Dahau befreit. Wir kennen die Bilder und können nur ahnen in welcher Verfassung sich der 34 jährige befand. Er überlebte, während bereits im Mai 1945 zweitausend seiner Leidensgenossen an den Folgen der Haft verstarben.

Joseph kehrte nach Hobling zurück, wo Catherine auf ihm wartete. Sie war nach der Inhaftierung ihres Mannes zu ihren Eltern gezogen. Die Beiden haben dann auch dort gelebt. Auf Josephs Antrag auf Wiedereröffnung seines Schuhmacher Ladens vom 10. August 1945, steht jedenfalls die Anschrift Hobling No. 27.

Joseph erholte sich und konnte zunächst wieder arbeiten. Das Ehepaar Disch-Fencl fasste neuen Mut. 1946 wurde Catherine zum 4. Mal schwanger. Es sollte ein Junge werden und er sollte den Namen seines Vaters Joseph tragen. Joseph Disch Junior wurde am 27. Februar 1947 um 22:00 Uhr geboren. Er verstarb 10 Minuten danach. Dieser schreckliche Fakt wurde von der Mairie de Freistroff dokumentiert. Wahrscheinlich lebten Joseph und Catherine damals immer noch in Hobling No. 27, da zu dieser Zeit Hobling zu Freistroff gehörte und nicht wie heute zu Bousonville (Chemery Les Deux). Catherine und Joseph blieben in Hobling. Dort kam dann am 27. März 1948 auch ihr fünftes und letztes Kind auf die Welt. Jean-Pierre Disch starb noch am selben Tag.
Joseph und Catherine lebten bis zu ihrem Tod in Hobling No. 27. Joseph starb am 11. April 1979. Catherine verstarb am 8. August 1996 im beisein ihrer Neffen Emil, Franz-Josef und mir (Martin) um 22:oo Uhr.

In dem bereits zu beginn dieses Textes zitierten Dokument (von 1970) werden alle Rentenrelevanten Zeiten von Joseph aufgeführt. Diese brechen mit seiner Inhaftierung ab. Er hat nach dem Krieg wohl nie wieder in seinem Beruf gearbeitet. Aus Erzählungen wissen wir, dass es Joseph zu Anfang noch recht gut ging. Die Torturen die ihm in den Lagern angetan wurden führten dann doch zu massiven gesundheitlichen Problemen. Genaues kann, auch aus den noch verbliebenen Unterlagen, nicht gesagt werden. Wir (jedenfalls die älteren von uns) kennen die Folgen. Ich habe Joseph nur als alten Mann im Rollstuhl kennen gelernt. Er war immer lustig und hat viel gelacht. Die Spätfolgen der Schläge auf den Kopf im KZ führten zu schweren Hirnschäden. Er konnte sich kaum noch mit Worten ausdrücken und war an den Rollstuhl gefesselt. Trotzdem strahlte er auf mich immer eine Lebensfreunde aus die mich heute noch erstaunt. 

Als Kind habe ich das natürlich nicht verstanden. Ich fand den Joseph einfach nur nett und eben anders. Heute halte ich einen Stapel Bilder und Dokumente dieser beiden Menschen in Händen und denke: "Das ist alles was übrig bleibt."

Aber wenn es mir schlecht geht, dann denke ich an die Beiden und weiß wie gut es mir geht und sehe die Möglichkeiten die wir heute haben. Ich sehe wieviel Kraft in einem Menschen stecken kann. Wahrscheinlich ist es das was bleibt!